OpenR@thaus: Wie der Landkreis Harburg Digitalisierung als Daueraufgabe umsetzt

Digitalisierung ist mehr als Papierbefriedigung


„Mir wäre es wichtig, dass wir in Deutschland anerkennen, dass Digitalisierung eine Daueraufgabe ist, die uns noch lange begleiten wird.“  - Dr. Martin Richter

„Mir wäre es wichtig, dass wir in Deutschland anerkennen, dass Digitalisierung eine Daueraufgabe ist, die uns noch lange begleiten wird.“ Mit diesem Satz brachte Dr. Martin Richter in einem Interview im Magazin Kommune21 auf den Punkt, warum die Erfolgsquote der Behörden in Hinblick auf die gesetzten Ziele des Onlinezugangsgesetzes (OZG) nach dessen Fristablauf eher mau aussieht. Als CIO des Bundes ist er verantwortlich für die Zusammenarbeit der Länder und Wirtschaft mit der Bundesregierung in IT-Fragen und weiß, an welchen drei Kern-Herausforderungen die Digitalisierung nach Zeitplan heute noch in vielen Behörden scheitert: 

  • Es mangelt an gemeinsamen technischen Standards, über die sich Kommunen, Länder und Bund verbinden lassen.
  • Für Kommunen stehen keine ausreichenden Ressourcen und finanzielle Unterstützung zur Verfügung.
  • Um komplexe digitale Prozesse erfolgreich einzuführen, sind in den Behörden vor Ort umfangreiche Change-Prozesse erforderlich, die alle Ebenen bis hin zur Leitung durchdringen.

Die Umsetzungsfrist des OZG ist längst abgelaufen. Die Antwort des OZG 2.0 darauf: Es soll keine neuerlichen Fristen geben. Dieser Umstand schlägt in dieselbe Kerbe, die Dr. Martin Richter bereits angesprochen hat: Man sollte sich von der Idee verabschieden, Digitalisierung als einmalige Sache zu sehen. Vielmehr handelt es sich um einen fortwährenden Prozess, der immer und immer wieder hinterfragt und überarbeitet werden muss. Richter fordert, Digitalisierung in Behörden zur Daueraufgabe zu machen.


Die Herausforderung im Landkreis Harburg: 

Zentrale digitale Dienstleistungen für Landkreis und Kommunen

Dieser Aufgabe hat sich der Landkreis Harburg angenommen. Und hat schrittweise geschafft, was anfänglich unmöglich schien: Dienstleistungen von Landkreis und Kommunen in einem gemeinsamen Portalverbund zu vereinen, um den Bürgerinnen und Bürgern eine einheitliche Anlaufstelle für die wichtigsten Anliegen zu bieten.

Zunächst startete der Landkreis Harburg mit ähnlichen Voraussetzungen wie viele andere Kreise. Die heterogene IT-Landschaft bestand aus einer Vielzahl von Fachverfahren und Datenbanken. Die vorhandenen digitalen Angebote waren schwer aufzufinden und beruhten überwiegend auf ausfüllbaren PDF-Dokumenten.

„Unser erster Kerngedanke war, alle Systeme in einer Portalplattform zu verbinden. Dies sollte den Bürgerinnen und Bürgern helfen, sich mittels einer zentralen Anlaufstelle für die Gemeinden und den Landkreis schnell zurechtzufinden“, erklärt Dennis Frey. Als IT-Projektleiter in der ITK Harburg koordiniert er die Digitalisierungsprojekte des Landkreises Harburg und die Zusammenarbeit zwischen der ITEBO Unternehmensgruppe und den beteiligten Partnern.

Nach einer anfänglichen Analyse konnten die wichtigsten Kernprozesse aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger schnell identifiziert werden. Ausgehend hiervon setzt sich die ITK Harburg als Anstalt öffentlichen Rechts immer wieder Ziele für einen zeitlichen Horizont von etwa einem Jahr und arbeitet so konsequent an der fortwährenden Weiterentwicklung der digitalen Prozesse.



Die Lösung: 

Zentrale Portallösung OpenR@thaus und Erweiterung in mehreren Ausbaustufen

„Die Entscheidung für das OpenR@thaus der ITEBO Unternehmensgruppe war naheliegend“, erklärt Frey. „Es verfolgt dasselbe Ziel wie der Landkreis Harburg, nämlich, ein Portal nicht nur auf kommunaler Ebene zu betrachten. Stattdessen können die Bürgerinnen und Bürger mit nur einer Registrierung sowohl Leistungen der Gemeinden als auch des Landkreises nutzen.“

Das OpenR@thaus beruht auf zehn Basisleistungen. Herzstück ist der digitale Postkorb, der die Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Verwaltung vereinfacht. Er ermöglicht direkte Nachfragen zu Anträgen, den ständigen Einblick in den aktuellen Bearbeitungsstand oder das Nachreichen von Nachweisen – und das komplett ohne Medienbruch.

In mehreren Ausbaustufen ist es dem Landkreis Harburg gelungen, das Angebot an digitalen Verwaltungsleistungen nach und nach auszubauen:

  1. Stufe: Zunächst startete die Digitalisierung im Landkreis Harburg gemeinsam mit der Samtgemeinde Jesteburg. Ziel war, einen Portalverbund zu schaffen. Hier sollten alle verfügbaren Leistungen bei beiden Anlaufstellen gleichermaßen auffindbar sein, ohne dass den Bürgerinnen und Bürger ein erhöhter Aufwand entstand.
  2. Stufe: Im nächsten Schritt wurden die bereits umgesetzten digitalen Leistungen auch in der Stadt Winsen (Luhe) und der Samtgemeinde Salzhausen ausgerollt.
  3. Stufe: Nun folgte die Anbindung der Stadt Buchholz in der Nordheide, der Samtgemeinden Hollenstedt und Hanstedt sowie der Gemeinde Rosengarten an den Portalverbund.
  4. Stufe: Auch die Gemeinde Stelle ist nun Teil des Portalverbunds. Neben den Basisleistungen des OpenR@thaus werden sukzessive häufig nachgefragte Verwaltungsleistungen digitalisiert. Dazu gehören etwa das Führerscheinwesen (VOIS|FSW), die Anmeldung für Kitaplätze, ein Elternportal (NH-Kita) und das Meldewesen (VOIS|MESO). Zudem arbeitet das Digitalisierungsteam des Landkreises Harburg unter Hochdruck daran, das digitale Bauamt auf den Weg zu bringen. Dieses soll nicht nur ermöglichen, Bauanträge online zu stellen, sondern den gesamten Prozess vom Antrag bis zur Baugenehmigung vollständig digital abzubilden.
  5. Stufe: 2023 verfolgt die ITK Harburg erneut große Ziele. Auf der Agenda stehen etwa die Integration der iKfz Stufe 4, die EU-Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) und der weitere Ausbau von Bauen Online 2.0 mit weiteren Anträgen, das Elterngeld und Wohngeld sowie der Rollout des in einer Samtgemeinde bereits etablierten Elternportals auch in anderen Kommunen.

Das Ergebnis:

Fast jeder Zehnte nutzt bereits Online-Dienstleistungen



Über 170 Prozesse können die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Harburg und dessen Gemeinden inzwischen in digitaler Form nutzen. Die Angebote werden rege in Anspruch genommen. Die ITK Harburg zählt inzwischen rund 22.000 registrierte Nutzerinnen und Nutzer im gesamten Portalverbund – beinahe jeder Zehnte im Landkreis.

Bis heute gibt sich der Landkreis Harburg nicht mit dem durch das OZG definierte Minimum an Digitalisierung zufrieden, sondern sieht diese als einen längst fälligen Paradigmenwechsel. Digitalisierung endet nicht an der Rathaustür. Werden nämlich online gestellte Anträge anschließend ausgedruckt und auf Papier weiterbearbeitet, verpuffen die möglichen Synergieeffekte im Nichts. Deshalb arbeitet die ITK Harburg ständig daran, die Prozesse auch behördenintern auf eine digitale Basis zu stellen. „Wir gehen in eine enge Abstimmung mit den Herstellern der Fachverfahren, um den Ausbau der Schnittstellen voranzutreiben“, erklärt Frey. „Gleichzeitig werben wir um die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und kommunizieren den Mehrwert, den auch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Behörden vor Ort durch digitale Prozesse haben.“


Daueraufgabe aus Eigenantrieb statt Papierbefriedigung


Im Landkreis Harburg ist gelungen, was CIO Dr. Martin Richter fordert: Die Kommunen überwinden die bestehenden Hürden und schaffen eine übergreifende Portallösung. Der wichtigste Erfolg besteht jedoch weder in weiteren Serviceleistungen noch im Verbundportal, sondern in dem erfolgreich angestoßenen Change-Prozess. Die Beteiligten haben verinnerlicht, dass die Digitalisierung ein Marathon ist und kein Sprint. Sie lässt sich nicht zu einem bestimmten Stichpunkt abschließend erledigen, sondern soll und muss fortwährend ausgebaut und nachjustiert werden.

Digitalisierung ist mehr als nur Selbstzweck oder Papierbefriedigung, um die Vorgaben des OZG 2.0 umzusetzen. Jede Behörde sollte aus eigenem Antrieb an der Digitalisierung ihrer Dienstleistungen arbeiten. Nicht nur, weil die Bürgerinnen und Bürger einen zeitgemäßen Service verdient haben, sondern weil sie sich damit auch selbst das Leben vereinfachen und Raum schaffen für wichtigere Aufgaben. Umsetzungsfristen und gesetzliche Vorgaben spielen keine große Rolle mehr, wenn die Beteiligten bereit sind, stets noch ein paar Schritte weiterzugehen als gefordert.


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