Digitalisierung

Interkommunale Zusammenarbeit

Nicht immer einfach, aber immer sinnvoll!

In Niedersachsen hat sich mit der OpenR@thaus-Community eine einzigartige Gemeinschaft aus 16 Landkreisen etabliert, die seit Dezember 2018 gemeinsam Online-Dienstleistungen und Online-Services für Bürger:innen  entwickelt. Im Gespräch mit fünf Landkreisen werden die aktuellen Herausforderungen und Mehrwerte deutlich.

1. Wo bestehen Mehrwerte der interkommunalen
Zusammenarbeit im Kontext OZG?

Ein zentraler Vorteil der interkommunalen Zusammenarbeit ist die gemeinsame Nutzung von  Ressourcen und Infrastrukturen. Dank der Synergieeffekte lassen sich die oftmals begrenzten finanziellen und personellen Mittel optimal einsetzen. Michel Jonas Götte betont, dass betont dass der Landkreis Celle vor allem „von bereits umgesetzten Lösungen profitiert, z.B. durch den Austausch von Prozesswissen oder eigens erstellten Online-Formularen.“ Neben der gegenseitigen Unterstützung ist für Jörn Dinter, Landkreis Diepholz, „ein landkreisweit einheitlich gestaltetes Online-Dienstleistungsangebot und und die Nachnutzung im Portalverbund“ ein Alleinstellungsmerkmal der OpenR@thaus-Community. Für Jannik Stuhr vom Landkreis Harburg ist vor allem „der Grundgedanke einer „kleinen“ EfA-Lösung im Portalverbund vielversprechend. Gerade Dienstleistungen, die in allen beteiligten Kommunen umgesetzt werden müssen, bieten sich an, um arbeitsteilig erledigt zu werden.“ Denn die kleinen Kommunen profitieren von den Erfahrungen anderer am meisten.

2. Welche Herausforderungen bestehen bei der Umsetzung
des OZGs in Ihrem Landkreis?

Die Landkreise stehen vor der Herausforderung, unterschiedliche Voraussetzungen und fehlende Standards zu bewältigen. Hendrik Menkhaus, Landkreis Osnabrück, erläutert: „Die Kommunen bringen alle unterschiedliche Voraussetzungen mit. Von großen Kommunen mit finanziellen und personellen Möglichkeiten bis hin zur kleinen Kommune, in der die OZG-Umsetzung am Rande verfolgt wird, müssen alle Kommunen gleichermaßen mitgenommen werden.“ Im Landkreis Celle liegt der Fokus auf der Umsetzung ganzheitlicher Prozesse. Michel Jonas Götte führt aus: „Die größte Herausforderung ist die Umsetzung von Ende-zu-Ende digitalisierten Lösungen sowie deren Finanzierung. Aufgrund fehlender flächendeckender Vorgaben und Standards kann eine durchgängige Digitalisierung, auch über die internen Prozesse hinweg, häufig noch nicht abgebildet werden oder ist nicht wirtschaftlich tragfähig.“ Ein ähnliches Problem sieht Safet Trzaska vom Landkreis Wolfenbüttel: „Ein geringes Angebot an EfA-Diensten zwingt uns immer noch, eigene Online-Dienste zu entwerfen. Parallel bestehen auf Bundesebene mangelnde Standards und fehlende Planungssicherheit durch das Land, sie lassen einen als Kommune im Regen stehen.“

3. Wie gestalten Sie das gemeinsame Projektmanagement
mit den Kommunen Ihres Landkreises?

In allen Landkreisen mit OpenKreishaus setzen die Beteiligten auf regelmäßige Treffen und Arbeitsgruppen, um die Zusammenarbeit zu koordinieren. „Besonders profitieren die Kommunen davon, dass Ressourcen (..) im Rahmen der Möglichkeit geteilt und Ergebnisse nachgenutzt werden“, betont Safet Trzaska vom Landkreis Wolfenbüttel. Auch im Landkreis Osnabrück fällt auf, dass die Aufgabe darin besteht, sowohl „Informationen in die Kommunen zu streuen als auch den interkommunalen Austausch zwischen den Kommunen zu fördern.“

4. Welche erfolgreichen Onlineprozesse konnten Sie in den
vergangenen sieben Jahren realisieren?

„Von großen Kommunen mit finanziellen und personellen Möglichkeiten bis hin zur kleinen Kommune, in der die OZG-Umsetzung am Rande verfolgt wird, müssen alle Kommunen gleichermaßen mitgenommen werden.“


Ausgehend vom Antragsvolumen sind im Landkreis Celle  insbesondere die Bereiche Baugenehmigung inklusive Beteiligung der Architekten und Entwurfsverfasser (seit Ende 2021) und KFZ-Zulassungsvorgänge (seit Ende 2023) hervorzuheben. Im Landkreis Diepholz sind es u. a. anlassbezogene Leistungen wie die Infektionsschutzbelehrung als vollständig digitaler Prozess oder der Zuschuss zum Deutschlandticket, die am beliebtesten sind.  

Im Landkreis Harburg stehen insgesamt 77 Leistungen des Landkreises und 52 externe Dienstleistungen zur Verfügung, die über das Serviceportal in Anspruch genommen werden können. Insgesamt wird das Leistungsangebot derOpenR@thaus-Community kontinuierlich ausgebaut, in jedem Landkreis mit angeschlossenen Kommunen stehen in der Regel über 100 Onlineleistungen zur Verfügung. Wichtig ist den Landkreisen jedoch nicht nur das reine Angebot für Bürger:innen, sondern auch die interne Verarbeitung. Der Landkreis Celle setzt für die Infektionsschutzbelehrung bspw. auf die vollautomatisierte interne Verarbeitung mithilfe von sog. Software-Robotern (Robotic Process Automation).

5. Wo sehen Sie die aktuellen und folgenden Schwerpunkte?

Die Unsicherheit bezüglich der EfA-Dienste, deren Integration und Finanzierung ist in vielen Landkreisen ein Thema. Hendrik Menkhaus, Landkreis Osnabrück, betont: „Ob EfA-Lösungen in Niedersachsen nachgenutzt werden können, wann diese kommen und ob sie den eigenen Anforderungen entsprechen, ist momentan häufig nicht abzusehen.“ Ein weiterer, damit eng zusammenhängender Schwerpunkt liegt auf der Verhandlung von Schnittstellen mit Fachverfahrensherstellern. Jannik Stuhr, Landkreis Harburg, erklärt: „Die derzeit größte Herausforderung besteht darin, für unsere in das Serviceportal integrierbaren Antragsverfahren Schnittstellen mit den Fachverfahrensherstellern zu verhandeln. Gerade um gegen die sicherlich funktionalen, aber oftmals nicht integrierbaren EfA-Dienste konkurrenzfähig zu bleiben, ist hier viel Zeit und Aufwand zu investieren.“ Die Skepsis und Zurückhaltung gegenüber den EfA-Diensten sind vielen Landkreisen zu eigen.

Michel Jonas Götte vom Landkreis Celle betont: „Der aktuelle Schwerpunkt liegt in der Analyse und Umsetzung von EfA-Diensten oder Alternativen. Insbesondere im Bereich Soziales (bspw. Wohngeld) warten wir zudem auf einsetzbare Lösungen, um vollständig digitale Antragsprozesse abbilden zu können.“

6. Wie lautet Ihr aktuelles Fazit zur landkreisübergreifenden Zusammenarbeit?

„Die derzeit größte Herausforderung besteht darin, für unsere in das  Serviceportal integrierbaren Antragsverfahren Schnittstellen mit den  Fachverfahrensherstellern zu verhandeln.“

Alle fünf Landkreise bewerten die landkreisübergreifende Zusammenarbeit insgesamt als positiv und wollen diese weiter ausbauen. Im Landkreis Diepholz fasst man die Entwicklung zusammen: „Der Ansatz der interkommunalen Zusammenarbeit im Rahmen des OZGs mit dem Aufbau eines einheitlichen Portalverbunds war die richtige Entscheidung und ist nun die Grundlage für den weiteren Ausbau und eine fortlaufende Optimierung.“ Safet Trzaska vom Landkreis Wolfenbüttel ergänzt: „Die landkreisübergreifende Zusammenarbeit funktioniert gut. Eine gegenseitige Unterstützung ist stets vorhanden. Allerdings ist klar sichtbar, dass kleine Kommunen nur wenig Kapazitäten für das Thema Digitalisierung aufbringen können. Daher ist das Modell „OpenKreishaus“ genau der richtige Weg, damit der Weg zur digitalen Behörde gemeinsam erfolgreich bestritten werden kann.“

Die Erfahrungen der fünf Landkreise zeigen, dass die interkommunale Zusammenarbeit bei der Umsetzung des OZG große Potenziale bietet, aber auch mit erheblichen Herausforderungen verbunden ist. Klare Projektstrukturen, regelmäßige Kommunikation und der Austausch von Wissen und Ressourcen sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Andere Landkreise können von diesen Erfahrungen profitieren und sollten die Möglichkeit der interkommunalen Zusammenarbeit in Betracht ziehen, um die Digitalisierung ihrer Verwaltungsprozesse voranzutreiben.


Die Interviewpartner:

Landkreis Celle 

Michel Jonas Götte, Amt für Steuerung und Organisationstechnik

Landkreis Diepholz 

Jörn Dinter, Fachdienst 12 – eGovernment


Landkreis Harburg (ITK Harburg AöR) 

Jannik Stuhr, Projektleiter eGovernment

Landkreis Wolfenbüttel 

Safet Trzaska, Fachbereich 11.3 Digitalisierung


Landkreis Osnabrück 

Hendrik Menkhaus, Fachdienst Personal, Organisation und Digitalisierung

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